Montag, 16. Mai 2016

So what?!

Jetzt noch mal was zum Thema "Selbstoptimierungswahn". 

Nach dem Lesen diverser Coaching- und Selbstoptimierungsbücher stellt sich mir die Frage:

Was ist denn eigentlich ein sogenanntes "erfolgreiches Leben"?

Einen Haufen Geld auf dem Konto zu haben? 
Beruflich erfolgreich im selbst-erträumten Job?
Haus, Gelände- /Sportwagen, Kinder (natürlich alle hochbegabt) und Hund? 
Verheiratet? (Natürlich glücklich!)
Sich vegan zu ernähren oder zumindest vegetarisch?
Sich aufopfern für einen "besseren Planeten"?
Und dabei auch noch möglichst blendend aussehen und fit und gesund sein bis zur Rente und darüber hinaus?


Nun, da bin ich schon mal raus!
Ich bin seit kurzem joblos, fast 53 Jahre alt, gerade nicht wirklich gesund und fit und hab irgendwie keinen Plan. 
Ich bin zu alt für den Arbeitsmarkt, aber zu jung und zu arm, um in Rente zu gehen.
Okay ich will nicht jammern, ich hab immerhin ein Dach über´m Kopf, Essen, Kleidung...
Für die sogenannten Grundbedürfnisse ist also gesorgt.
Ach ja, ein "Kind" hab ich auch und hin und wieder führ ich dessen Hund Gassi.

Jetzt bin ich wieder drauf reingefallen und hab mir etliche Selbsthilfe-Bücher, bis zum Rand gefüllt mit Coaching-Tipps von ganz wahnsinnig supertollen und megaerfolgreichen, berühmten Menschen, geistig einverleibt.
War dieser Satz seltsam?
Nun, vermutlich bin ich inzwischen völlig verwirrt, vom Lesen all der gutgemeinten Ratschläge, wie man ein echt erfolgreiches Leben führt.

Ich hab alle Tipps befolgt, kleine Zettelchen mit irrsinnig positiven Botschaften, die in mein Unterbewusstsein dringen und mich zu einem erfolgreichen Megamenschen machen sollten, überall strategisch in der Wohnung verteilt. 
Hab meine Komfortzone erweitert, jeden Tag etwas gemacht, was ich sonst noch nie gemacht habe.
Schon direkt nach dem Aufstehen habe ich die erste Zettel-Botschaft gelesen, die mich daran erinnern sollte, dass ich mir einen absolut grandios guten Tag kreieren werde, dass ich voller Kraft bin, an mich glaube und dass mir nur Gutes widerfahren wird... 
Ich hab gleich nach dem Wachwerden eine CD mit Säuselmusik und positiven Affirmationen eingelegt und angehört, in der Hoffnung, dass sich meine chronischen Schmerzen und alle negativen Glaubenssätze in Luft auflösen, ich wieder gesund und munter durch´s Leben hüpfe und mir der Erfolg und die Anerkennung von allen Seiten nur so zufliegen.

Nun, das mach ich jetzt schon eine ganze Weile und... 
...
...naja...
...
Eigentlich ging´s mir eher immer schlechter angesichts all dieser Erfolgsstories.
Ich mein, da muss man sich ja erst recht wie der letzte Honk vorkommen. 

Ich hab die Zettel jetzt weggeschmissen, die Bücher aus meinem Gesichtsfeld verbannt.  All die erfolgreichen Autoren werden mir jetzt vermutlich vorwerfen, dass ich einfach zu wenig Geduld hätte, ich die Sache zu wenig ernst nehme, es zu wenig glaube oder es vielleicht einfach nur nicht "richtig" mache. 

Schon klar.

Beinahe könnte ich das glauben und mir Vorwürfe machen, dass ich wohl einfach nur eine totale Versagerin bin und nicht mal DAS hinkriege.
Aber zum Glück nur BEINAHE! 

Denn wisst ihr was? 
Auf einmal ist mir zum Glück was eingefallen: 

Was, wenn ich GAR NIX an mir optimieren MUSS?
Was, wenn ich einfach nur OK bin, so wie ich bin?
Was, wenn ich einfach so scheiße bleiben darf, wie ich bin?
;-)
Uuuuuh - welche Erleichterung!!!

Und da fiel mir auch wieder das Buch von Rebecca Niazi-Shahabi ein: 
"Ich bleib so scheiße wie ich bin - Lockerlassen und mehr vom Leben haben"

http://www.amazon.de/Ich-bleib-schei%C3%9Fe-wie-ich/dp/3492300561
Ein Glück, dass ich nicht allein da steh, so erfolglos, alt, krank, unattraktiv und unfähig wie ich bin! ;-) 
Danke Rebecca! :) 

Für alle, denen die Ironie entgangen sein sollte, hier nochmal ein paar Extra-Ironie-Alarm-Emojis: ;-) ;-) ;-) ;-) ;-) ;-)



© Text und Bild von Petra Illenseer